Abgesang by Theo Pointner

Autor:Theo Pointner [Pointner, Theo]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-09-17T04:00:00+00:00

22

»Das musst du dir mal vorstellen! Dieser Drecksack stellt alles so hin, als wenn das arme Mädchen nur darauf gewartet hätte, von ihm missbraucht zu werden. Wahrscheinlich hat er, während er alles gesteht, ’nen Ständer gekriegt. Und als wir ihn mitgenommen haben, ist er aus allen Wolken gefallen. Ich fass es nicht!«

Katharina lockerte den Griff ihrer Finger, zwischen denen sie fast das Telefon zerquetschte. Obwohl sie schon vor zwei Stunden nach Hause gekommen war und nach einer ausgedehnten Dusche jetzt mit einem Glas Rosé auf ihrem Balkon in die Abendsonne blickte, stand sie immer noch unter Strom.

»Klingt, als ob du dringend Urlaub auf der Hallig bräuchtest«, kommentierte Hinnerk Harms am anderen Ende der Leitung. »Von der Erholung ist ja anscheinend nichts mehr übrig.«

»Wundert dich das? An allen Ecken und Enden stößt man nur noch auf dicke Scheißhaufen. Zugegeben, manche der Haufen sind mit Goldfarbe lackiert, aber stinken tun sie trotzdem. Und weißt du, was besonders frustriert? Selbst wenn wir heute diesen Kinderficker kassiert haben, wir sind keinen Schritt weiter, was den Mord betrifft.«

»Definitiv keine Chance, dass er was damit zu tun hat?«

»Nein«, antwortete die Kommissarin und nippte an ihrem Glas. »Als das Mädchen entführt wurde, war er mit seiner Familie im Urlaub. Seine Frau hat das zwischenzeitlich bestätigt, obwohl sie ansonsten wohl nicht mehr viel mit ihrem Gatten zu tun haben möchte. Wir lassen trotzdem von unseren holländischen Kollegen die Aussage checken. Sicher ist sicher.«

»Und was ist mit der Mutter? Könnte er sie ermordet haben?«

»Nein, dafür hat er absolut kein Motiv. Sie wusste bis zum Obduktionsergebnis nichts von der Schwangerschaft ihrer Tochter. Und warum sollte ihm Svenjas Mutter mitten in der Nacht die Tür öffnen? Nein, ich gehe inzwischen fest davon aus, dass Maslarskis Mörder einen Schlüssel zur Wohnung hatte. Und zwar den des Mädchens.«

»Klingt in meinen Ohren so, als ob da gar nichts zusammenpasst. Ihr hängt also völlig in der Luft?«

»Ohne Netz und doppelten Boden«, gab Katharina desillusioniert zu. »Wir haben für keinen der Morde ein Motiv oder einen Verdächtigen.«

»Und wenn das alles gar nichts mit dem Umfeld der Opfer zu tun hat? Vielleicht sind sie ihren Mördern zufällig über den Weg gelaufen.«

»Daran haben wir auch schon gedacht. Aber warum Mutter und Tochter? Was wollte er? Keine Vergewaltigung, völlig unterschiedliche Vorgehensweisen – es gibt keinen offensichtlichen Zusammenhang.«

»Das Mädchen wurde schwer misshandelt, sagst du?«

»Ja«, sagte Katharina.

»Vielleicht hat jemand ein Snuff-Video mit ihr gedreht. Dabei geht’s ja nicht unbedingt um Sex.«

»Möglich ist alles. Und danach knöpft er sich die Mutter vor und probiert was Neues aus?«

Harms seufzte hörbar. »Keine Ahnung. Das sind so Momente, da bin ich heilfroh, nicht deinen Job zu haben.«

»Klar, du verstaubst ja lieber zwischen deinen Bildschirmen und Tastaturen. Finde ich genauso schlimm.«

Einen Moment war es in der Leitung still. Katharina nutzte die Pause und nippte erneut an ihrem Wein. Dann füllte sie den Rosé mit Mineralwasser auf, pur war ihr der Wein eine Spur zu süß.

»Und wie geht es dir, wenn du dich nicht gerade über deine aktuellen Fälle aufregst?«, fragte Harms, bevor der Gesprächsfaden endgültig reißen konnte.

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